Projektkurzfassung

Die medizinische Fakultät des Klosters Labrang in Ost-Tibet:

 

Eine historische sowie ethnomedizinische Studie und Dokumentation von 19 das bshad rgyud illustrierendenWandbildern

 

Mag. phil. Dr. med.univ. Katharina Anna Sabernig

 

Im Innenhof der medizinischen Fakultät (sman pa grwa tshang) des Klosters Labrang (Bla brang Bkra shis vkhyil) befinden sich 19 bislang nicht beschriebene Wandbilder. Sie illustrieren Inhalte das rtsa rgyud und des bshad rgyud, die ersten beiden Teiledes Rgyud bzhi in Form eines sich ausbreitenden Baumes (sdong vgrems) womit dem Text eine lebendige visuelle Struktur verliehen wird.Die Wandbilder wurden in den Jahren 2004 und 2005 photo-dokumentiert und die Bildunterschriften vor Ort transliteriert. In der Zwischenzeit wurden die Darstellungen übermalen, zwar ähnlich jedoch nicht identisch, in einer anderen Reihenfolge und weniger kunstvoll.

 

Die medizinische Fakultätwurde1784 nach dem Vorbild der Medizinhochschule am Eisenhügel (lcag po ri) in Lhasa gegründet. Manche Wandbilder spiegeln den im Rgyud bzhi beschriebenen Inhalt detailliert wieder während andere Passagen nur schemenhaft, sozusagen kursorisch oder gar abweichend zur Anschauung gebracht wurden. In einem vorläufigen Vergleich mit den Illustrationen des Vaidurya sngon po („Blauer Beryll“), dem berühmten, von Sangs rgyas Rgya mtso verfassten Kommentar zum Rgyud bzhi lassen sich eine Reihe signifikanter oftmals sogar einander ergänzender Unterschiede erkennen. Gemalt wurden die Thangkas im Auftrag von Sangs rgyas Rgya mtso, dem berühmten Regenten, dessen Anliegen es war, medizinische Errungenschaften der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Wandbilder im Innenhof der medizinischen Fakultät in Labrang ließ ein Arzt als mnemotechnischen Hilfe für Medizinstudenten gestalten.

 

Die inhaltlichen Abweichungen der Wandbilder in Labrang von den Illustrationen des Vaidurya sngon po und dem rgyud bzhi führen unweigerlich zu der Frage auf welcher Lehrtradition die Darstellungen beruhen. Sind diese Divergenzen als eine regionale Besonderheit zu verstehen oder bezieht sich die Lehre der auf eine weitere Texttradition? Vorläufige Textvergleiche mit dem Vaidurya sngon po und dem Text bshad rgyud kyi sdong 'grems legs bshad gser gyi thur ma zhes bya ba bzhugs so vonBlo bzang Chos grags (2003) weisen darauf hin, dass die kunstvollen Wandbilder die Verbundenheit des Klosters Labrang zur Gelugpa-Tradition und zum medizinischen Zeitgeist in Lhasa im 17.und 18. Jahrhundert widerspiegeln.

 

In diesem Projekt werden die dokumentierten Wandbilder und ihr aktuelles Faksimile sorgfältig mit den Illustrationen des Vaidurya sngon po, den korrespondierenden Stellenim Rgyud bzhiund dem Text von Blo bzang Chos grags (2003) verglichen. Die zu erwartenden Ergebnisse werden neue Einsichten in die didaktische Bedeutung historischer Bilder in der Tibetischen Medizin eröffnen.