Projektkurzfassung

Die Anatomie von Blo bzang Chos grags:

Eine historische und ethno-medizinische Studie und Untersuchung der tibetischen makro-anatomischen Kenntnisse im siebzehnten Jahrhundert

 

Mag. phil. Dr. med. univ. Katharina Anna Sabernig

 

In meinem vorangegangen Projekt über die Wandbilder in der Medizinischen Fakultät des Klosters Labrang (FWF P 22965-G21) konnte nachgewiesen werden dass der Text von Blo bzang Chos grags über „Sich ausbreitende Bäume des Tantras der Erklärung“ (2005) ihre schriftliche Grundlage bildet. Sein im Kapitel über Anatomie aufgelisteter Beitrag ist bemerkenswert und geht weit über die Beschreibungen im Bshad rgyud oder dessen Kommentare Vaidurya sngon po und Mes po'i zhal lung hinaus. Das Ziel dieses als Folgeprojekt geplanten Antrages ist die Überprüfung der anatomischen Errungenschaften in Blo bzang Chos grags Text und die Analyse der Unterschiede zu den Kommentaren. Die Begleitumstände für die Entwicklung der tibetischen makroskopischen Anatomie im siebzehnten Jahrhundert werden untersucht und ein besonderer Schwerpunkt gilt der Frage weshalb der Leibarzt des fünften Dalai Lamas die in den klassischen Texten genannten Knochen und Ligamente mit Hilfe von Humansektion auffinden und zählen wollte?

 

Blo bzang Chos grags Untersuchung zum Bewegungsapparat wird mit anderen zu dieser Zeit in Asien zirkulierenden anatomischen Systemen verglichen, wie die Anatomie von Andreas Vesalius, die im siebzehnten Jahrhundert von den Jesuiten während ihrer Mission in das Chinesische übersetzt wurde. Deren medizinisches Wirken in China und Tibet muss in diesem Zusammenhang untersucht werden. Anatomische Beschreibungen in Blo bzang Chos grags' Text, die wie neue Errungenschaften anmuten aber auf ältere Kommentare zurückverfolgt werden können sollen untersucht werden. Welche dieser Ergebnisse basieren auf Erkundungen mittels Humansektion in Tibet und welche auf ältere Einflüsse aus Indien, dem Orient oder Ostmediterranem Raum? Im Rahmen dieser Fragen wird ein Symposium abgehalten werden um historische Quellen verschiedener Medizin-Systeme mit Experten in den relevanten wissenschaftlichen Feldern zu diskutieren.

 

Ein weiteres Ziel des beantragten Projekts ist die Untersuchung des anatomischen Vokabulars. Alle Termini werden in eine Datenbank eingetragen und im Internet zugänglich gemacht. Um die Entwicklung der diesen Begriffen innewohnenden Bedeutung aufzuzeigen werden sie geprüft, kontextualisiert und mit Darstellungen zur medizinischen Terminologie verglichen, wie sie in modernen tibetischen Anatomie-Atlanten wie auch in den klassischen Thangkas gezeigt werden. Dieser Vergleich ist äußerst wichtig, nicht nur für das Verständnis von Geschichte und Kontext dieses Fachwissens sondern auch in Sinne der Anwendungssicherheit der Tibetischen Medizin. Als Ergebnis dieser interdisziplinären Forschung ergeben sich nicht nur Einblicke in die tibetische anatomische Terminologie im siebzehnten Jahrhundert sondern auch der gesamten asiatischen Anatomie-Geschichte.